Die Ausbreitung von Lehre und Orden, 2. Teil.

 

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Ein halbes Jahr nach der Erwachung wanderte der Buddha wieder zurück nach Uruvela. So wie auf dem Hinweg hatte er auch eine eindrucksvolle Begegnung auf dem Rückweg. Damals traf er einen einzelnen Asketen, jetzt eine Gruppe von Bürgern.

Es war eine Gruppe von dreißig Freunden, die an jenem Tag eine Landpartie gemacht hatten, zusammen mit ihren Frauen. Einen heiteren Familienausflug in die schöne Umgebung. Es war lustig und freundlich zugegangen. Einer von ihnen war aber bislang unverheiratet geblieben und damit er sich nicht zurückgesetzt fühle, hatten seine Freunde eine Kurtisane für ihn engagiert. Diese wusste aber nichts besseres zu tun, als in einem unbewachten Augenblick Wertsachen zu stehlen und damit das Weite zu suchen. Da wurden die Freunde ergrimmt und liefen ihr nach, um sie einzufangen und ihre den Raub wieder abzujagen. In diesem erregten Zustand der Gemütsbewegungen und eile trafen sie bei ihrer Suche den Erhabenen. Er war von der Straße abgebogen und hatte sich gerade unter einen Baum in der parkähnlichen Landschaft niedergesetzt. Sie fragten ihn, ob er nicht eine einzelne Frau gesehen habe. Der Buddha erkundigte sich, was sie von der Gesuchten denn wollten. Da berichteten sie ihm den ganzen Vorfall.

Man könnte nun denken, dass die ganze Situation doch denkbar ungeeignet für ein geistliches Gespräch war. Der Buddha aber kannte die Menschen besser und wusste Kern und Schale zu unterscheiden. Anknüpfend an ihre Situation stellte er jetzt die Gegenfrage: "Wie denkt ihr darüber, ihr jungen Männer, was ist besser für euch, nach der Frau zu suchen oder nach euch selbst zu suchen?". Sie erwiderten, letzteres sei natürlich besser. Da lud der Buddha sie ein, sich niederzusetzen und ihm zuzuhören, was er auf diese Frage zu sagen habe. Und die Dreißig vergaßen ihre Eile und ihr Suchen und setzten sich nieder. Der Buddha belehrte sie in fünfstufiger Weise. Über Geben und Tugend brauchte er, wie bei Yaso, nicht viel zu sagen. Über himmlische Welten und die Vergeltung der Taten sagte er schon mehr, zeigte auf, dass jene Frau selber ernten würde, was sie gesät, dass eben keine Ungerechtigkeit möglich sei. Vor allem aber sprach er mit ihnen, die mitten aus dem sinnlichen Vergnügen kamen, über den Unterschied zwischen Sinnenlust und überweltlichem Glück. Er machte ihnen die Diskrepanz zwischen ihrem sorglosen Tun und der Gefährlichkeit des Daseins offenbar.

Als die dreißig jungen Männer dies gehört hatten, baten sie wie aus einem Munde den Erhabenen um Aufnahme in den Orden, und sie wurden aufgenommen. Der Geringste von ihnen hatte den Stromeintritt, der Reifste die Nichtwiederkehr erlangt (Mahavagga I, 14).

Uruvela-Kassapo

Uruvela-Kassapo war ein Brahmane und so etwas wie der Hohepriester des Landes, Feuerpriester und Asket, hochbetagt, über hundert Jahre alt, eine imponierende Erscheinung in seiner Rüstigkeit. Er galt bei den Leuten als Heiliger im hinduistischen Sinne. Auch Kassapo selbst glaubte, aus dem Samsara gerettet und ein lebendig Erlöster zu sein.

Der Buddha kam zu ihm, der fünfhundert Schüler betreute und bat um Unterkunft in seinem Feuerraum. Kassapo gewährte ihm gern die Bitte, gab aber zu Bedenken, dass dort ein Naga-Geist hause, der Große Asket - so nannte er sofort den Buddha - möge achtgeben, dass er nicht verletzt werde. Bald gab es draußen Rauch und Feuer zu sehen, so dass Kassapo glaubt, der Naga habe den kühnen Asketen besiegt, aber es war der Buddha, der Sieger geblieben war. Da staunte Kassapo und bewunderte die geistige Macht und Magie des Großen Asketen, fügt aber in Gedanken bei sich hinzu: "Und doch ist er kein Vollendeter wie ich." Es gab im folgenden Vierteljahr mehrere solcher Ereignisse.

Kassapo bemerkte auch, dass der Wohnplatz des Buddha nachts von großem Glanz erfüllt war und dass himmlisch-überirdische Gestallten sich dem Buddha ehrfurchtsvoll häherten. Da frage er nach und der Buddha erwiderte, dass es die Vier Großen Könige waren, die bei ihm die Lehre hören wollten. So ging es weiter, bis der Buddha die Zeit für gekommen hielt, Kassapos Stolz an der Wurzel anzugehen und er sagte ihm, dass er weder ein Vollendeter sei noch den Weg dazu bisher überhaupt betreten habe. Der über Hundertjährige fiel dem Buddha überwältigt zu Füßen und bat um Aufnahme in seinen Orden als sein Schüler. Durch die wochenlange Vorbereitung war er dafür reif geworden, und sein Stolz beugte sich gegenüber dem ersten Menschen, den er als überlegen anerkennen musst.

Die fünfhundert Schüler des Kassapo folgten ihm nach und ebenso seine beiden Brüder mit 300 und 200 Anhängern, die weiter stromabwärts lebten. Der Buddha zog nun mit seinen neuen tausend Mönchen vom Berg Gaya in der Nähe. Hier hielt er die dritte aus dieser Zeit im Wortlaut überlieferte Lehrrede, die erste war die von Benares, die zweite die von den Merkmalen des Nicht-Ich. Den tausend Mönchen, den einstigen Feuerpriestern, gab er eine Darlegung, die an das Feuerelement anknüpfte und als "Feuerpredigt" bekannt geworden ist.

Der König von Magadha

Nachdem der Erwachte seine Vorhaben in der Gegend von Uruvela erfüllt hatte, begab er sioch mit der Schar der früheren brahmanischen Asketen jetzt nach der Landeshauptstadt Rajagaha. Bei dieser Wanderung des Buddha mit seinen über tausend Geheilten auf das kulturelle Zentrum des damaligen Indien zu mag sich in zweierlei Hinsicht ein Vergleich mit Rom aufdrängen. So wie Rom die Siebenhügelstadt hieß, so Rajagaha die Fünfhügelstadt, weil es in einem Talkessel lag, der von fünf Hügeln umgeben war. Und so wie es immer wieder Züge auf Rom gegeben hat, die das Bild des Landes völlig veränderten, so war dieser Marsch der Tausendschaft geheilter Mönche das Fanal für die völlige Umgestaltung des Landes.

Vor sieben Jahren hatte der damalige Bodhisattva dem König von Magadha, Seniyo Bimbisaro, versprochen , dass er ihm Kunde vom Todlosen bringen würde, wenn er es gefunden hätte. Dieses Versprechen erfüllte nun der Erwachte. Als er bei Rajagaham ankam, nahm er seinen Aufenthalt in einem Palmengarten am Stadtrand. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass der Asket Gotamo mit tausend brahmanischen Asketen dort weile. Da zog der König mit seinen Leuten, gefolgt von einer großen Menge, zu jenem Park hin. Und die Menschen fragten sich, ob wohl der Asket Gotamo das Asketenleben unter Leitung des Kassapo von Uruvela führe oder ob etwa umgekehrt Kassap Schüler des Buddha geworden sein sollte. Das war doch nicht möglich. Er war doch erst sechsunddreißig Jahre alt, während Kassapo dreimal so alt war.

Kassapos Erklärung verdeutlichte aber alles. Er fiel schließlich dem Erhabenen zu Füßen und bekannte: "Der Herr ist der Meister, ich bin der Schüler." Nachdem der König und seine Begleitung und das ganze Gefolge dieses Wunder der Belehrung gesehen hatten, wurde ihr Vertrauen zum Buddha gewaltig befestigt. Und man meinte, es lohne sich, zuzuhören. Und der Buddha wandte sich an den König und die Menge und er sprach vom Geben, von der Tugend, von seliger Welt, machte der Begierden Elend und der Sinnensuchtfreiheit Vorzüglichkeit offenbar. Und als er merkte, dass seine Hörer nun ganz aufgeschossen und bereit waren, da gab er ihnen die eigentliche Lehre, die Lehre vom Unterschied zwischen Vergänglichkeit des Samsaro und Todlosigkeit des Nirvana. Und die ganze große Menge erlange gleicherweise durch diese fünfstufige Belehrung den Stromeintritt.

Der König sprach darauf zum Erwachten: Früher, als junger Mann, habe er fünf Herzenswünsche gehabt, und die hätten sich nun sämtlich verwirklicht. Der erste Wunsch sei die Königswürde gewesen. Der zweite Wunsch sei gewesen, dass ein Erwachter in sein Reich kommen möge. Die weiteren Wünsche: dass er ihm Verehrung erweisen könnte, dass der Erwachte ihm die Lehre darlegen möge und dass er die Lehre verstehen möge. Und jetzt sei eben auch der letzte Wunsch erfüllt worden. Der Erhabene möge ihn also als Anhänger betrachten, zeitlebens nehme er Zuflucht zum Erwachten, zur Lehre, zur Gemeinschaft der Heilsgänger. Und er lud den Erwachten und die ganze Schar der Mönche zum nächsten Tag in den Palast zum Mahle ein. Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte.

Am nächsten Tag, nach dem Mahl, sprach der König, er könne nun einfach nicht mehr ohne die drei Kleinodien leben. Er würde gern immer noch mehr von der Lehre hören. Aber der Palmgarten sei sehr weit außerhalb. Doch hier in der Nähe habe er einen wunderschönen Bambuspark, den möchte er dem Orden stiften. Er sei sehr still und daher für Asketen gut geeignet und doch nicht zu weit von hier.

Der Buddha nahm dies Geschenk an - und so wurde der Bambuspark das erste buddhistische Kloster und Zentrum - ein Parkgelände war damals die übliche Klosterweise. Oft weilte der Buddha dort in den folgenden Jahren, und viele Lehrreden sind "im Bambuspark am Hügel der Eichhörnchen" gesprochen worden. Zahlreiche Klöster folgten später, so dass einer der Nachfolger Bimbisaros, Kaiser Asoko, das Land als Land der Klöster (Vihara) bezeichnete, den es noch heute als indisches Bundesland Bihar ("v" wechselt im Indischen oft zu "b") trägt.

 

Quelle: Hellmuth Hecker: Das Leben des Buddha.

 

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